Warum Sie Time to Think brauchen, bevor Sie sich auf DEI stürzen

Diversität (DEI) ist in aller Munde. Vorstände verschiedenster Branchen machen es häufig zum Gesprächsthema — egal ob aus dem Bank Bereich, IT, Blockchain oder sogar Startups. Doch trotz aller Überlegungen, wie Diversität geschaffen werden kann, ist in Vorstandssitzungen nicht viel davon zu bemerken.

So viel steht fest: Ethisch betrachtet können wir mit einer nicht-inklusiven Unternehmenskultur nicht weitermachen. Diversity-Trainings und neue Stellen im Unternehmen für Diversity zu schaffen, scheint nicht zu fruchten — zumindest nicht nachhaltig. Die Arbeit ist nicht damit getan, Diversitätsbeauftragte einzustellen und sie dann sich selbst zu überlassen. Wenn wir Veränderung wollen, müssen wir Wandel von der Wurzel an angehen.

Wie können wir den Status Quo infrage stellen? Wie werden unsere Bemühungen für mehr Diversität, Gleichheit und Inklusion erfolgreicher? Erfahren Sie, was nötig ist, um einen echten Wandel herbeizuführen.

Das Wichtigste zuerst: Die Definition von DEI

DEI steht für Diversity (Vielfalt), Equity (Gerechtigkeit) und Inclusion (Inklusion). Bevor Sie sich Gedanken machen, was das für Sie und Ihr Unternehmen bedeutet, werfen wir einen Blick auf diese drei Begriffe:

  • Vielfalt ist das Vorhandensein von Unterschiedlichkeit, sei es bezüglich Herkunft, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung, sozioökonomischer Status, Sprache, (Nicht-)Behinderung, Alter oder politische Perspektive.

  • Gerechtigkeit ist ein Prinzip. Es stellt sicher, dass Prozesse auf dem Grundsatz von Gleichheit und Unparteilichkeit ablaufen und diese fördern.

  • Inklusion sorgt dafür, dass Unterschiedlichkeit zwischen Menschen willkommen ist.

Die Vorteile dieses Dreiklangs sind aus ethischer und menschlicher Sicht klar. Auch aus unternehmerischer Perspektive kann Diversität ein Booster für Innovation werden, denn verschiedene Perspektiven und eine vielfältige Unternehmenskultur bringen neuen Lösungen hervor.

Blinde Flecken anerkennen

Echten Wandel können wir meiner Erfahrung nach nur dann herbeiführen, wenn wir unser Denken verändern. Das erreichen wir, indem wir achtsam sind und Thinking Environments© (Denkräume) schaffen. Uns unserer blinden Flecken bewusst werden.

Im ersten Schritt bedeutet das, anzuerkennen, dass da blinde Flecken sind — bei allen von uns. Hierbei kann „unternehmerische Achtsamkeit" helfen. Edgar Schein beschreibt es so:

Ich verstehe Achtsamkeit nicht als eine Auswahl an Meditationspraktiken — ich sehe Achtsamkeit eher in Verbindung mit Kultur, als ein situatives Bewusstsein dafür, wie Kultur in und um uns herum unser Denken bestimmt.
— Edgar Schein

Mit dem Bewusstsein über unsere blinden Flecken können wir herausfordernde Fragen angehen:

Wie managen, organisieren und arbeiten wir an

  • unserer Organisationskultur?

  • unserem Mindset?

  • unseren Glaubenssätzen und Überzeugungen?

Denn all diese Punkte haben einen Einfluss darauf, ob DEI nur Gesprächsthema bleibt oder sichtbar und spürbar wird.

Gewagt und frei denken

Wenn wir uns über unsere blinden Flecken bewusst sind, können wir am Status quo arbeiten — ihn infrage stellen. Das heißt, gewagte Fragen zu stellen und frei zu denken:

  • Wie können wir unser Recruiting verändern?

  • Wie können wir Einfluss darauf nehmen, wie Mitarbeitende in Meetings denken und sprechen?

  • Wie können wir positiv beeinflussen, wie wir in unserer Organisation kommunizieren und uns beteiligen?

  • Müssen wir irgendwelche Prozesse, Strukturen oder Werte überdenken?

  • Wie können wir unsere Überzeugungen und Denkweisen als Unternehmenskultur infrage stellen?

Die Kraft des selbstständigen Denkens

Kritisch zu denken ist schwierig, aber wenn wir Thinking Environments© schaffen, kann es das einfacher machen. Das Konzept des Thinking Environments© wurde von Nancy Kline entwickelt und kann bei jeder Art von Entscheidungsprozessen angewendet werden. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, selbständig zu denken. Thinking Environments© basieren auf der Überzeugung, dass der Mensch am besten in Gegenwart einer Frage denken kann — noch besser, wenn jemand aufmerksam zuhört, ohne den Denkenden zu unterbrechen. In einer solchen Umgebung kann eine Gruppe von selbst auf neue Ansätze und Lösungen kommen.

Ob Ihr Unternehmen den Wandel, den Sie sich wünschen, hat oder nicht — was Sie haben, ist die Kraft, selbstständig zu denken. Alles, was Sie für Lösungen zu mehr Diversität brauchen, haben Sie bereits.

Thinking Environments basieren auf zentralen Prinzipien, den zehn Komponenten des Denkens:

01 AUFMERKSAMKEIT

bedeutet Interesse und Respekt daran, wohin die andere Person in ihrem Denken als nächstes gehen wird. Es bedeutet, zuzuhören, ohne zu unterbrechen — mehr noch: der Schlüssel zum Thinking Environment ist Aufmerksamkeit mit dem Versprechen, die andere Person nicht zu unterbrechen.

Aufmerksamkeit ist so kraftvoll — sie erzeugt Denken. Das macht sie zu einem Akt der Schöpfung: Die Qualität unserer Aufmerksamkeit bestimmt die Qualität des Denkens anderer Menschen.

02 GLEICHWÜRDIGKEIT

heißt, einander als gleichdenkende Kolleg:innen zu betrachten, und dementsprechend allen gleich viel Zeit zum Denken zuzugestehen. Als Denker können alle so selbst in einer Hierarchie gleichwürdig sein.

In einem Thinking Environment wird jede:r als denkende Person gleichwürdig angesehen. Jede:r kommt an die Reihe — um laut zu denken, und um anderen Aufmerksamkeit zu schenken. Die Gewissheit darüber, an die Reihe zu kommen, macht die Aufmerksamkeit echter und entspannter. Und es hält Ihren Redepart kurz.

Gleichwürdigkeit verhindert, dass die redseligen Leute die Stillen zum Schweigen bringen. Und sie zwingt die Ruhigen dazu, ihre eigenen Gedanken einzubringen. Das Ergebnis sind Ideen und Entscheidungen von hoher Qualität.

03 GELASSENHEIT

Gelassenheit schafft, Dringlichkeit zerstört.

Gelassenheit heißt, innere Dringlichkeit abzulegen. Ein innerer Zustand frei von Eile und Dringlichkeit, schafft die besten Voraussetzungen für das Denken. Wenn wir wollen, dass die Menschen unter unmöglichen Fristen und unter dem Gebot „schneller, besser, billiger, mehr" gut denken, müssen wir innere Leichtigkeit kultivieren.

04 WERTSCHÄTZUNG

Der menschliche Geist funktioniert am besten in Gegenwart von Wertschätzung.

Im Leben lernen wir, dass Wertschätzung naiv ist, während Kritik realistisch ist. In Diskussionen konzentrieren wir uns daher zuerst und manchmal auch nur auf die Dinge, die nicht funktionieren. Da das Gehirn Wertschätzung braucht, um gut zu funktionieren, ist unser Denken oft fadenscheinig.

Wertschätzung dagegen bedeutet, zu bemerken, was gut ist und es auszusprechen. Das Thinking Environment erkennt das richtige Verhältnis von Wertschätzung und Herausforderung, sodass Einzelne und Gruppen ihr bestes Denken entwickeln können.

05 ANREGUNG

Besser zu sein als - bedeutet nicht unbedingt gut zu sein.

Der Wettbewerb garantiert keine Spitzenleistungen. Er sichert lediglich den vergleichenden Erfolg. Daher kann der Wettbewerb zwischen Denkenden gefährlich sein. Er kann ihre Aufmerksamkeit aufeinander lenken — und zwar als Konkurrent:innen und nicht auf das enorme Potenzial, das in jedem von ihnen steckt, mutig zu denken.

Ein Thinking Environment verhindert den internen Wettbewerb unter den Kollegen und ersetzt ihn durch eine unvoreingenommene, unbedrohte Suche nach guten Ideen. Den Wettbewerb untereinander einzustellen ist eine Ermutigung, an den unerforschten Rand des Denkens zu gehen.

06 GEFÜHLE

Unausgesprochene Gefühle können gutes Denken hemmen.

Wenn wir aufgeregt sind, hört das Denken auf. Aber wenn wir unsere Gefühle zum Ausdruck bringen, wird das Denken wieder in Gang gesetzt. Leider haben wir das in unserer Gesellschaft umgekehrt. Wir denken, dass das Denken aufhört, wenn Gefühle einsetzen. Wenn wir das annehmen, behindern wir genau den Prozess, der einem Menschen hilft, wieder klar zu denken. Wenn wir uns stattdessen bei Anzeichen von Gefühlen entspannen und sie willkommen heißen, wird das Denken wieder in Schwung kommen.

Ein Thinking Environment heißt Emotionen willkommen und lädt dazu ein, sie freizusetzen.

07 INFORMATIONEN

Vollständige und genaue Informationen führen zu intellektueller Integrität.

Wir stützen unsere Entscheidungen ständig auf Informationen. Wenn die Informationen falsch oder unvollständig sind, leidet die Qualität unseres Denkens. Genaue und vollständige Informationen hingegen sind der Weg zu gutem, unabhängigem Denken.

In ähnlicher Weise ist das „Abbauen von Leugnung” oft der erste Schritt zu unabhängigem Denken. Konfrontation mit dem, was wir geleugnet haben oder nicht wahrhaben möchten, führt zu besserem Denken.

Und wenn wir unseren kollektiven sozialen Kontext anerkennen, schafft das psychologische Sicherheit.

Fakten aufzunehmen ist also unerlässlich für ein Thinking Environment: Daten, Dinge, die wir nicht wahrhaben möchten, unser sozialer Kontext.

08 VIELFALT

Je größer die Vielfalt in der Gruppe und je mehr unterschiedliche Standpunkte zugelassen werden, desto größer ist die Chance, dass das Denken präzise und innovativ ist.

Die Realität ist vielfältig. Um gut denken zu können, müssen wir uns daher in einer möglichst realen, vielfältigen Umgebung aufhalten. Wir müssen von Menschen vieler Identitätsgruppen umgeben sein und wissen, dass es keine Repressalien geben wird, wenn wir anders denken als der Rest der Gruppe.

Ein Thinking Environment setzt voraus, für die uns innewohnende Vielfalt in Identität und Denken einzutreten.

09 „EINSCHNEIDENDE” FRAGEN

Eine Quelle guter Ideen liegt direkt unter einer unwahren, einschränkenden Annahme. Eine einschneidende Frage beseitigt sie und macht den Kopf frei für neues Denken.

Die wichtigste Blockade für hochwertiges, unabhängiges Denken ist eine unwahre, einschränkende Annahme und Glaubenssätze, die als wahr empfunden werden. Um sich davon zu befreien, müssen wir wissen, wie man eine „einschneidende” Frage konstruiert. Dieses Wissen ist ein Werkzeug von unglaublicher Präzision und Kraft für unabhängiges Denken.

10 UMGEBUNG

Wenn unsere physische Umgebung uns bestätigt und Wert zuspricht, denken wir klarer und mutiger. Wie wir mit unserem Körper umgehen, spielt dabei eine große Rolle.

Thinking Environments sind Orte, die den Menschen zusprechen: „Du bist wichtig". Denn Menschen denken am besten, wenn sie merken, dass ihre Umgebung widerspiegelt, dass sie wichtig und wertvoll sind.

Und da der erste Ort des Denkens der Körper ist, muss er sich in einem Zustand befinden, der uns als Denkenden sagt: „Du bist wichtig". Wenn wir uns körperlich um uns kümmern und unseren Körper respektieren, können wir so besser denken.

In dieser Hinsicht ist die physische Umgebung eine stille Form der Wertschätzung. Für besseres Denken müssen wir eine physische Umgebung schaffen — ein Raum, ein Gegenüber, der eigene Körper — die ausdrückt „Du bist wichtig”.

Weitere Informationen finden Sie auf der Time To Think Website auf Englisch und in deutscher Sprache auf unserer Website Finde Zukunft:

Wir bieten jedes Quartal offene Time-To-Think Denkräume an. Wenn Sie Interesse haben,

  • an einer solchen Sitzung teilzunehmen,

  • ein Thinking Environment für eine Gruppe zu schaffen oder

  • eine Thinking Session für sich selbst zu schaffen

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