Feedback entschlüsselt – wie Feedback neu gedacht werden kann

Feedback gilt als unverzichtbares Führungsinstrument – und ist doch in vielen Organisationen negativ besetzt. 

Viele Führungskräfte und Mitarbeitende verbinden „Feedback“ instinktiv mit Kritik und Stress. Warum ist das so, und wie kann Feedback neu gedacht werden? 

Dieser Beitrag beleuchtet wissenschaftlich fundiert, warum Feedback oft einen schlechten Ruf hat, und zeigt auf Basis aktueller Studien Wege zu einer konstruktiveren Feedbackkultur. Im Fokus stehen dabei psychologische Sicherheit (Amy Edmondson), emotionale Intelligenz im Team (Vanessa Druskat) und der bewusste Einsatz konstruktiver Sprache. 

Zudem werden konkrete Ansätze vorgestellt, wie Feedback besser gestaltet werden kann – etwa durch unsere Prinzipien des Zuhören als Führungsinstrument, Connect before Correct (Verbindung vor Kritik), Radical & Compassionate Candor (direkte Rückmeldung mit Mitgefühl) und Retrospektiven als kulturelle Praxis.

 

Warum Feedback häufig negativ besetzt ist

Wir dürfen bei Lumen Partners seit über 15 Jahren mit marktführenden Unternehmen aus Technologie, Telekommunikation, Pharma, Diagnostik, Logistik, Automotive und Versicherung zusammenarbeiten. Dabei erhalten wir in unseren Workshops, Coachings und Transformationsprogrammen ein bemerkenswert konsistentes Feedback – unabhängig von Branche oder Hierarchiestufe:

  1. „Bei uns müsste dringend an der Feedbackkultur gearbeitet werden.“

  2. „Aber Feedback ist ein schwieriges Thema. Es ist oft negativ belegt.“

Diese doppelten Rückmeldungen – der Wunsch nach Entwicklung und die Scheu vor der Konfrontation – haben uns veranlasst, tiefer hinzuschauen:

  • Was verhindert eigentlich gutes Feedback?

  • Welche Strukturen, Haltungen oder Missverständnisse stehen im Weg?

  • Wie lässt sich Feedback wieder zu dem machen, was es im Ursprung ist – ein Werkzeug für Verbindung, Entwicklung und gemeinsames Lernen?

So ist über die Jahre ein fokussierter Arbeitsbereich entstanden: Wir entwickeln gezielt Programme für Unternehmenskultur und Werkzeuge für Führungskräfte, die Feedback neu verankern – als Ausdruck von Haltung, Beziehung und Orientierung. Unser Ziel: Feedback nicht als Event, sondern als natürlichen Bestandteil von Teamdynamik, Selbstführung und organisationalem Lernen zu etablieren.

In der Theorie klingt Feedback positiv – in der Praxis löst es jedoch oft Abwehr und Unbehagen aus. Ein Grundproblem: Feedback wird häufig mit negativer Kritik gleichgesetzt. 

Dabei ist Kritik auch nichts Schleches: Es meint im wahrsten Sinne des Worte eine “Argumentation anhand von Kriterien” – nicht mehr und nicht weniger. 

Wird Feedback jedoch ausschließlich in Problem- oder Fehlerkontexten eingesetzt, entsteht bei Mitarbeitenden das Gefühl: „Wenn ich Feedback bekomme, habe ich etwas falsch gemacht.“ So entsteht eine Kultur des Rückzugs, der Vorsicht – manchmal sogar der Angst. Feedback wird dann nicht als Entwicklungsimpuls erlebt, sondern als Form verdeckter Bewertung. In solchen Organisationen vermeiden Mitarbeitende Offenheit, Führungskräfte geraten in eine bloßstellende Rolle – und Feedback verliert seine wertvolle Funktion.

 

Feedback-Fallen – Intention ist nicht Impact

In unserer Arbeit mit über 50 Unternehmen haben sich vier typische Feedback-Fallen gezeigt, die selbst bei wohlmeinenden Führungskräften zur Verzerrung oder Abwehr führen:

1. Anlassgebundenheit
Etwas überspitzt ausgedrückt hören wir immer wieder:
“Feedback wird fast ausschließlich dann gegeben, wenn ein akutes Problem auftritt.“ oder ”Feedback gibt es nur im Rahmen von Personalgesprächen – einmal oder zweimal pro Jahr”.

Das zeigt: Feedback ist nicht Teil des Führungsalltags und der natürlichen Kommunikation, sondern ein Ereignis. Damit erzeugt es große Erwartungen an ein Personalgespräch. Und im Umkehrschluss gilt unausgeprochen:
“Wenn ich nichts höre, war es wohl okay – wenn ich Feedback bekomme, gibt es etwas zu beanstanden.“

Damit sind die Feedbackmomente viel zu selten, um in unserer schnelllebigen Arbeitswelt Impulse für die Weiterentwicklung zu geben. Hinzu kommt, dass in (Halb-)Jahresgesprächen der aktuelle Bezug fehlt – und somit eine direkte Lernerfahrung nicht ermöglicht wird. 

2. Feedback als Bewertung statt als Einladung zur Reflexion
Viele Rückmeldungen sind implizit wertend („Das war nicht gut – das war nicht professionell“) oder zu allgemein („Das war toll“) – ohne konkreten Kontext, beobachtbares Verhalten oder Wirkung zu benennen. Dadurch bleibt das Feedback diffus und kann keine gezielte Weiterentwicklung auslösen.

3. Top-down-Monolog statt Dialog
Gerade in hierarchischen Strukturen wird Feedback häufig einseitig gegeben, ohne Raum für Gegensicht oder Kontext. Studien (u. a. Harvard Business Review, 2019) zeigen, dass direktives Feedback, bei dem Führungskräfte „Anleitungen zur Verbesserung“ geben, kaum nachhaltiges Lernen erzeugt – insbesondere nicht bei erfahrenen Mitarbeitenden.

4. Mangelnde Anerkennung als Basis
Wenn Wertschätzung – als Haltung oder in expliziter Form – fehlt, wirkt Feedback schnell wie Kontrolle. Genau hier setzen wir in unseren Workshops mit „open-handed Feedback“ an: einer Praxis, die Rückmeldung offen, zugewandt und ohne verdeckte Agenda vermittelt. Mitarbeitende fragen sich sonst: „Sieht man eigentlich, was ich leiste – oder nur, was ich falsch mache?“ Fehlt die Beziehungsebene, wird selbst sachlich korrektes Feedback als Angriff empfunden.

Kurz gesagt: Feedback scheitert nicht an der Idee, sondern am Kontext. Es fehlt an Regelmäßigkeit, Beziehung, Dialogfähigkeit und Präzision. Genau hier setzen unsere Leadership Labs und Trainings für Teams an – um Feedback nicht nur als Methode, sondern als Ausdruck von Haltung und Führung alltagstauglich zu verankern.

 

Psychologische Sicherheit: Der Startblock für eine Feedbackkultur

 
Wie können wir eine Organisationskultur in Richtung psychologische Sicherheit bewegen? Wir müssen gute Absichten in konsequentes Handeln umsetzen.
— Dr. Karolin Helbig, The Psychological Safety Playbook: Lead More Powerfully by Being More Human

Am Anfang jeder positiven Feedbackkultur steht Vertrauen und psychologische Sicherheit. Die Harvard-Professorin Amy Edmondson hat gezeigt, dass Teams nur dann aus Fehlern lernen und offen miteinander umgehen, wenn ein Klima frei von Angst vorherrscht. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass sich Teammitglieder trauen, zwischenmenschliche Risiken einzugehen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Konkret heißt das: Menschen wagen es, offen Feedback zu geben, Schwächen oder Fehler einzugestehen, Fragen zu stellen und den Status quo zu hinterfragen, weil sie sicher sind, dafür nicht bestraft oder bloßgestellt zu werden.

In einer solchen angstfreien Umgebung wird Feedback nicht als Angriff verstanden, sondern als Beitrag zum gemeinsamen Erfolg. Edmondson betont in ihrem Buch „Die angstfreie Organisation“ (2020) denn auch, dass es im Kern jeder Feedback-Kultur um den Gegensatz zur Angst-Kultur geht. Statt Hierarchie und Einschüchterung braucht es ein Klima, das Offenheit belohnt. Studien bestätigen den Nutzen: Das Ausmaß an psychologischer Sicherheit in einem Team entscheidet wesentlich darüber, ob das Team aus Fehlern lernt oder nicht. In psychologisch sicheren Teams trauen sich Mitarbeiter eher, Probleme anzusprechen und ehrliches Feedback zu geben – die Grundvoraussetzung dafür, dass Feedback überhaupt seine positive Wirkung entfalten kann.

Für Führungskräfte bedeutet das: Feedback neu denken beginnt mit der Arbeit am Teamklima. Wer möchte, dass seine Mitarbeiter Feedback bereitwillig annehmen (und auch untereinander geben), muss zuerst dafür sorgen, dass sie sich sicher fühlen. Die Erwartung, dass die Mitarbeitenden aufmerksam und gut bei Feedbackgesprächen zuhören, kann und muss die Führungskraft durch die Fähigkeit, den Mitarbeitenden aus authentischem Interesse zuzuhören, selbst vorleben (dazu mehr später).

Psychologische Sicherheit entsteht also, wenn Führungskräfte respektvoll mit Fehlern umgehen, offene Meinungsäußerung explizit begrüßen und „den Überbringer schlechter Nachrichten nicht bestrafen“. Nur wenn die Belegschaft erlebt, dass ehrliches Feedback nicht sanktioniert, sondern wertgeschätzt wird, kann eine echte Feedbackkultur wachsen.

 

Emotionale Intelligenz im Team: Feedback als gemeinsamer Lernprozess

Neben der individuellen Sicherheit spielt die Teamdynamik eine entscheidende Rolle. Vanessa Druskat, Organisationspsychologin an der University of New Hampshire, erforscht seit Jahrzehnten, was hochperformante Teams auszeichnet. Ihr Ergebnis: Es kommt nicht nur auf die Intelligenz der Einzelnen an, sondern vor allem auf die Team Emotional Intelligence. Damit meint Druskat die Fähigkeit einer Gruppe, gemeinsame Verhaltensnormen zu entwickeln, die ein positives emotionales Klima fördern. In emotional intelligenten Teams herrscht Vertrauen, gegenseitige Unterstützung und Offenheit – ideale Voraussetzungen für produktives Feedback.

Druskat fand heraus, dass erfolgreiche Teams bestimmte Normen teilen, etwa:

„Wir helfen einander zum Erfolg“ (jeder unterstützt die anderen und spricht auch unangemessenes Verhalten an) und
„Wir lernen und entwickeln uns gemeinsam“ (das Team reflektiert regelmäßig seine Arbeitsweise, teilt Meinungen offen und sucht proaktiv nach Lösungen).

Diese Normen sind häufig implizit vorhanden, wurden jedoch wenig oder zu pauschal durch Werte expliziert. Selbst wenn ein Team bspw. durch Interventionen oder Workshops gemeinsame Werte gefunden hat (in der Regel gehört “Vertrauen” zu den üblichen Verdächtigen), ist noch längst nicht gerklärt, ob alle tatsächlich das Gleiche damit meinen.

 
Schon allein kleinste Unterschiede beim Verständnis von Werten führen zu Spannungen und Konflikten. Unterschiede sind dabei willkommen, es muss nur darüber gesprochen werden – dies tun wir ganz im Sinne eines Dialogs: Dia – Austausch und Logos – Sinn und Bedeutung. Das schafft eine Grundlage für die Bewältigung von Spannungen und Krisen.
— Motoki Tonn
 

Zugehörigkeit im Team

Der vielleicht wichtigste Faktor ist ein Gefühl von Zugehörigkeit im Team.

Wenn sich jeder im Team „akzeptiert, gekannt, wertgeschätzt und unterstützt“ fühlt, sinkt die Angst, durch Feedback aneckt zu werden. Zugehörigkeit wirkt wie ein soziales Sicherheitsnetz: Teammitglieder haben dann keine Furcht, ausgeschlossen oder abgewertet zu werden, nur weil sie den Mund aufmachen.

Diese Erkenntnis deckt sich mit anderen Studien: Gruppen mit hohem Zusammenhalt und Vertrauen zeichnen sich dadurch aus, dass Konflikte konstruktiv ausgetragen werden und Feedback eher als gemeinsamer Verbesserungsprozess gesehen wird denn als persönliche Kritik. Fühlt sich hingegen auch nur ein Teammitglied sozial ausgegrenzt oder nicht respektiert, leidet die gesamte Teamleistung – und offenes Feedback bleibt aus Angst aus. Emotional intelligente Teams schaffen also eine Atmosphäre, in der Feedback natürlich fließt: Man unterstützt sich gegenseitig, spricht Probleme direkt an und lernt zusammen daraus. Feedback wird so vom potenziellen Konfliktherd zum Motor für kontinuierliches Lernen.

Für Führungskräfte bedeutet das: Psychologische Sicherheit und gelebte Teamkultur formen gemeinsam den Boden, auf dem Feedback gedeiht – oder scheitert. Ein Team, das ein klares Verständnis für gemeinsame Werte und vertrauensbildende Normen entwickelt hat, wird Rückmeldung nicht als Angriff erleben, sondern als Einladung zum Lernen.

 

Konstruktive Sprache und wertschätzendes Feedback

Wie Feedback formuliert wird, entscheidet maßgeblich über seine Wirkung. Sprache kann Türen öffnen – oder zuschlagen. Insbesondere der Aspekt Wertschätzung ist hier zentral. Oft wird nicht klar zwischen Lob, Kompliment und Wertschätzung unterschieden, dabei unterscheiden sie sich stark in Fokus, Tiefe und Wirkung.

  • Lob bezieht sich auf eine konkrete Leistung oder ein Ergebnis.
    Es hebt positiv hervor, was jemand gut gemacht hat – etwa: „Die Präsentation war sehr gelungen!“. Lob ist situationsbezogen und leistungsverknüpft; es vermittelt dem Gegenüber: „Du hast etwas richtig gemacht.“ Allerdings kann Lob bisweilen von oben herab wirken oder den Eindruck erwecken, die Beziehung sei rein leistungsorientiert. Es bleibt an der Oberfläche des Tuns.

  • Komplimente zielen auf persönliche Eigenschaften oder Vorzüge ab.
    Zum Beispiel: „Du hast eine tolle Ausstrahlung“ oder „Ich mag deinen Sinn für Humor“. Ein Kompliment soll Freude machen und Sympathie ausdrücken. Es bezieht sich eher auf das Sein einer Person (Charakter, Aussehen) als auf konkrete Taten. Wenn Komplimente jedoch floskelhaft oder unaufrichtig wirken, verfehlen sie ihr Ziel und können sogar Misstrauen erzeugen.

  • Wertschätzung bedeutet die Würdigung einer inneren Qualität.
    Sie richtet den Fokus auf den Menschen als Ganzes – unabhängig von einer Leistung. Wertschätzung heißt, jemandem zu zeigen, dass er gesehen, respektiert und geschätzt wird, so wie er ist.

    Beispiele: „Ich schätze deine Offenheit und den Mut, den du gezeigt hast“ oder „Dein Engagement für das Team macht einen großen Unterschied.“. Solche Aussagen sind tiefgründiger und nicht an Bedingungen geknüpft (also nicht nur bei Erfolg). Echte Wertschätzung stärkt die Beziehungsebene enorm: Sie vermittelt dem Gegenüber „Du bist wertvoll – genau so, wie du bist“. Wichtig ist dabei Authentizität – Wertschätzung darf nicht als manipulative Technik missbraucht werden.

 

Warum ist dieser Unterschied so wichtig für Feedback?

Weil Wertschätzung die Basis schafft, auf der auch kritisches Feedback gedeihen kann. Mitarbeiter, die vom Vorgesetzten grundlegende Wertschätzung erfahren, fühlen sich sicher genug, um auch Kritik anzunehmen, ohne gleich in Abwehr zu gehen. Zahlreiche Studien belegen die positive Wirkung von Wertschätzung im Unternehmensumfeld. So zeigte eine Gallup-Studie 2023, dass mangelnde Wertschätzung ein Hauptgrund für die geringe emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihren Arbeitgeber ist – in Deutschland fühlen sich nur 16 % der Beschäftigten ihrem Unternehmen wirklich verbunden. Gleichzeitig betonen aktuelle Erhebungen, dass Wertschätzung neben fairer Bezahlung einer der entscheidenden Faktoren für Arbeitsmotivation ist.

Eine Studie der LMU München (2021) hob hervor, dass alltägliche wertschätzende Verhaltensweisen von Führungskräften das Wohlbefinden der Mitarbeitenden deutlich erhöhen. Mit anderen Worten: gelebte Wertschätzung zahlt sich aus – in Engagement, Loyalität und Leistung.

 

Sprache entscheidet – Fünf Prinzipien für wirksames Feedback

In der Begleitung von Führungskräften über viele Jahre hinweg sehen wir: 

Sprache ist der Schlüssel, wenn Feedback gelingen soll. Ob Feedback als Unterstützung ankommt oder als Angriff erlebt wird, hängt entscheidend davon ab, wie es formuliert wird. Wir haben fünf Prinzipien heraus gearbeitet, die Feedback klar, wertschätzend und wirkungsorientiert gestalten:

 

Konkret statt allgemein

Unspezifische Aussagen wie „Das war nicht gut“ oder auch „Das war super“ lassen keine Orientierung zu. Wir wissen nicht, was genau gut oder schlecht war – und was konkret unser Anteil daran war. Daher ist die Wirkung von allgemeinen Aussagen bedeutungslos oder gar pauschal abwertend und schlimmstenfalls sogar beschämend  – in allen drei Fällen blockiert diese Form die Weiterentwicklung.

Besser:

„In der Präsentation war die Struktur unklar – dadurch fiel es dem Team schwer, deinen Argumenten zu folgen.“ So entsteht ein klarer Bezug zwischen Verhalten, Wirkung und Kontext – nachvollziehbar und anschlussfähig, um es das nächste Mal besser zu machen

 

Verhalten statt Charakter

Feedback sollte sich immer auf beobachtbares Verhalten beziehen, nie auf die Person oder deren Eigenschaften. Aussagen wie „Das war unprofessionell“ oder „Du bist zu unklar“ greifen die Identität an – sie erzeugen Abwehr, nicht Entwicklung.

Besser:

„Du hast mehrere Metaphern in einem Satz genutzt – das hat bei einigen Teilnehmenden Verwirrung ausgelöst – an welchem Bild sollte ich mich nun orientieren?“ Das schafft ein Lernerlebnis (im Sinne eines “Aha-Moments” , ohne zu verletzen.

 

Möglichkeit statt Mangel – Feedback als Handlungsorientierung

Feedback sollte nicht nur aufzeigen, was nicht funktioniert hat, sondern im besten Fall den Weg zur Verbesserung erkennbar machen. Dies kann auch als Ergänzung angeboten werden (“Darf ich dir eine Möglichkeit aufzeigen?”)

Besser:

„Wenn du deine Argumente klarer gliederst, wird es den Zuhörenden leichter fallen, deinen Vorschlag mitzugehen und das Ergebnis und die Begründung für die Entscheidung an ihre Teams weiterzugeben.“

So entsteht ein kreativer Möglichkeitshorizont, der Handlungsoptionen aufzeigt.

 

Wirkung verdeutlichen – Impact statt Bewertung

Hilfreiches Feedback zeigt, wofür es wichtig ist. Es stellt die Verbindung zwischen individuellem Verhalten und übergeordnetem Ziel her. Das motiviert – und befähigt zu unternehmerischem Denken.

Besser:

„Wenn deine Präsentation klar strukturiert ist, können andere sie leichter in ihre Bereiche tragen – das erhöht die Reichweite deiner Idee und verbessert die Umsetzungschancen.“

So wird deutlich: Feedback ist nicht Selbstzweck, sondern Beitrag zur Wirksamkeit unseres Gegenübers.

 

Wertschätzend – ohne zu beschönigen

Kritik einzurahmen – wie im sogenannten Feedback-Sandwich – wirkt oft unehrlich und führt zu Verwirrung. Die Idee, Kritik zwischen zwei positiven Aussagen zu „verpacken“, mag gut gemeint sein – aber sie verfehlt in vielen Fällen ihr Ziel.

Die Studie von Prochazka et al. (2020) zeigt: Obwohl Rückmeldungen im Sandwich-Stil kurzfristig als angenehmer empfunden werden, verlieren sie an Klarheit. Die eigentliche Botschaft wird abgeschwächt – und die positiven Aussagen gehen häufig unter, weil der Fokus auf dem erwarteten Kritikpunkt liegt. Der Lerneffekt wird dadurch verzögert oder sogar geschwächt.

„Students use more time to prepare for further task after receiving sandwich feedback compared to no or corrective feedback.“

Wir haben es selbst schon erlebt: Die eigentliche Wirkung des Feedbacks wird verwässert, alle Beteiligten verlieren Zeit und das Vertrauen (und damit die psychologische Sicherheit) in die eigentliche Absicht des Feedbacks leidet.

Auch Kim Scott, Autorin von Radical Candor, warnt:

„Very often, the feedback sandwich is a desire to be liked or to create false harmony.“

Wertschätzung zeigt sich nicht im Weichzeichnen, sondern in Klarheit und Respekt. Was hilft:

  • Direkt sein, aber mit Respekt und Verbindung.

  • Kritik klar zu benennen – aber ohne Härte (be kind – not nice)

  • Positives gezielt und eigenständig würdigen, nicht als Polster.

  • Gesprächsraum lassen, um das Gesagte zu verarbeiten.

Beispiel:

„Ich schätze deine Initiative und deine Überzeugungskraft, wenn du live präsentierst. Gleichzeitig ist es wichtig, dass du deine Argumente klar in der Präsentation strukturierst – so wird deine Idee von allen verstanden, und du stärkst ihre Wirkung im Unternehmen.“

 

Gutes Feedback macht nicht klein – es macht klar.

Führungskräfte, die präzise, handlungsorientiert und ehrlich sprechen, schaffen Räume für Entwicklung. Sie bieten Orientierung ohne Bewertung – und Wertschätzung ohne Beschönigung. 

Das ist nicht nur eine Frage der Kommunikation – es ist eine Frage der Haltung – und die trainieren wir in unseren Workshops und Formaten zu Führungskräfteenntwicklung.

 

Vier Ansätze für eine neue Feedback-Kultur

Wie lässt sich all das in der Führungspraxis umsetzen? Im Folgenden vier konkrete Ansatzpunkte – Schwerpunkte, auf die auch Lumen Partners in seinen Entwicklungsprogrammen setzt, um eine gesunde Feedbackkultur aufzubauen:

Ansatz 1: Zuhören lernen – die Masterclass für Führungskräfte:
Bevor Führungskräfte Feedback geben, müssen sie zuhören können. Aktives Zuhören – wirklich präsent sein, Nachfragen stellen, das Gesagte des Gegenübers reflektieren – ist eine Kernkompetenz moderner Führung. Studien zeigen, dass Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern bewusst zuhören, deren Engagement und Wohlbefinden deutlich fördern. Zuhören signalisiert Wertschätzung und schafft Vertrauen, zwei Grundpfeiler für effektive Feedbackgespräche. Es geht darum, erst zu verstehen, bevor man bewertet. Lumen Partners bietet hierzu z.B. spezielle Masterclasses im Zuhören für Führungskräfte an, um diese Fähigkeit zu schärfen. Wer seinem Team aufmerksam zuhört, dem hören auch die Mitarbeiter zu – und Feedback wird zum Dialog statt zum Monolog.

Ansatz 2: Connect before Correct – erst verbinden, dann korrigieren:
„The best feedback doesn’t start with what went wrong. It starts with who’s in front of you.“ – dieses Zitat bringt es für uns auf den Punkt, worauf es bei jedem Feedbackgespräch ankommt:

Beziehung vor Sachebene.
Connect before Act – Connect before Correct. Menschen nehmen Kritik viel eher an, wenn sie sich zuvor gesehen, gehört und verstanden fühlen.Wir haben hier eine empirische Studie für sie verlinkt, die aufzeigt, dass das Gefühl, fair und gerecht behandelt zu werden (relational justice), direkt mit der Feedback-Akzeptanz zusammenhängt. 

Das Prinzip „Connect before Correct“ erinnert uns daran, Feedback mit Verbindung zu beginnen – nicht mit Korrektur. Wenn wir empathisch zuhören und die Perspektive des Gegenübers mit authentischem Interesse verstehen, entsteht ein Raum, in dem Rückmeldung nicht als Bedrohung, sondern als Unterstützung erlebt wird. Genau diese Haltung – präsent, zugewandt und zugleich klar – trainieren wir im Rahmen unseres Programms zu emotionaler Intelligenz, insbesondere mit Search Inside Yourself (SIY).

Ansatz 3: Radical and Compassionate Candor – radikale Offenheit mit Mitgefühl:
Ehrliches Feedback darf und soll klar sein – aber nie grausam. Der vielzitierte Ansatz der ehemaligen Google-Managerin Kim Scott – „Radical Candor“ – verbindet genau das: direkte Kritik üben, jedoch aus einer Haltung der persönlichen Wertschätzung heraus. Scott fasst es so zusammen: „Radical Candor is Compassionate Candor.“

Wahres „radikales“ Feedback ist in Wahrheit mitfühlend – es kommt von einem aufrichtigen Wunsch, dem anderen zu helfen, besser zu werden. Für die Führungskraft bedeutet das: Habe den Mut, auch unbequeme Dinge offen anzusprechen (keine beschönigende „Ruinöse Empathie“, bei der man aus Nettigkeit um den heißen Brei herumredet). 

Radikale Offenheit bedeutet nicht, verletzend zu sein – im Gegenteil, sie verlangt großes Einfühlungsvermögen. Führungskräfte sollten hart in der Sache, aber weich zum Menschen sein. Wer ehrlich sagt, was nicht passt, und gleichzeitig spüren lässt, dass er den anderen als Person schätzt, der wird Vertrauen ernten. Mitarbeiter akzeptieren auch harte Wahrheiten, wenn sie wissen, dass sie aus wohlwollender Absicht kommen. Dieses Prinzip von Challenge directly, but care personally ist das zentrale Element moderner Feedbackkultur: Klartext bieten, ohne die Empathie und damit die Verbindung zu verlieren.

Ansatz 4: Retrospektiven und Feedback-Systeme als Kulturpraxis:
Um Feedback im Unternehmen neu zu verankern, reicht es nicht, an Einzelpersonen zu appellieren – es braucht institutionalisierte Gewohnheiten. Eine solche Praxis sind regelmäßige Retrospektiven im Team. Bekannt aus agilen Arbeitsmethoden, dienen Retros dazu, im geschützten Rahmen gemeinsam zurückzuschauen. Wir haben Retros für effektive Teams so verdichtet, dass es keine Ausrede (“dafür ist kein Raum” hören wir am häufigsten) mehr in den Projektphasen gibt, Retros nicht einzuplanen und durchzuführen - in genau dieser Reihenfolge: 

Was lief herausragend? (Muss-Frage – 5 Min)
Was lief gut? (optional)
Was können wir nächstes Mal besser machen? (optional)
Was sollte auf keinen Fall wieder passieren? (Muss - 5 Min)

Retros lassen sich so teamübergreifend in die Ablauforganisation einbetten und können zur Routine werden. 

Studien zeigen, dass Teams, die regelmäßige Reflexionen durchführen, agiler lernen und seltener in dieselben Muster tappen. Führungskräfte können solche Reflexionsräume gezielt fördern – etwa durch kurze „Lessons Learned“-Formate nach Projektabschlüssen oder durch eine feste Agenda-Zeit für Feedback in Teammeetings. 

Besonders wirkungsvoll sind wiederkehrende Rituale wie Retrospektiven oder – inspiriert von der japanischen Praxis – Hansei-Meetings (反省会): strukturierte Rückblicke auf das eigene Handeln mit dem Ziel, ehrlich zu erkennen, was verbessert werden kann – ohne Schuldzuweisung, aber mit Verantwortung.

Solche Systeme signalisieren: Feedback geben und nehmen ist erwünscht und wird geübt. Entscheidend ist, dass Feedback als kontinuierlicher Prozess begriffen wird, nicht als jährliches Ritual. Sobald Feedback zur Gewohnheit wird – etwas, das zum täglichen Arbeiten dazugehört – verliert es seinen Schrecken. 

Aus diesen Elementen entwickelt sich eine Kultur, die wir Feed-forward nennen:
Sie ist geprägt von einem konstruktiven und vertrauensvollen Miteinander, in der die persönliche Weiterentwicklung im Zentrum steht. Dies ist aus vielen Gesichtspunkten ein Unternehmensasset: für das Employer Brand als auch für die interne Unternehmenskultur – und auch Kunden werden dies spüren. 

 

Feedback neu denken, Führung neu denken

Die Neugestaltung der Feedbackkultur ist kein „Soft-Thema“, sondern ein zentraler Baustein moderner Führung. Zahlreiche aktuelle Studien aus dem DACH-Raum wie international – von Gallup über Harvard Business School bis MIT Sloan – zeigen unisono: Unternehmen mit einer offenen, wertschätzenden Feedbackkultur sind erfolgreicher. Mitarbeiter in solchen Unternehmen sind engagierter, innovativer und bleiben länger. 

Eine solche Kultur entsteht jedoch nicht von selbst. Es braucht Führungskräfte, die Feedback und Elemente wie Zuhören und Empathie vorleben – im besten Fall holen sie selbst fortlaufend Feedback ein (buttom-up), demonstrieren aktiv zuhören und üben aktive Wertschätzung aus.


Fragen oder Gesprächsbedarf? Kontaktieren Sie uns gerne.

 

Weiterführende Literatur und Studien

Psychologische Sicherheit & Führungskultur

  • Edmondson, Amy C. (2020): Die angstfreie Organisation. Redline Verlag.
    – Klassiker über psychologische Sicherheit als Fundament für Lernen, Teaming und Offenheit.

  • Helbig, Karolin & Norman, Minette (2023): The Psychological Safety Playbook – Lead More Powerfully by Being More Human. Page Two.
    – Praxisnahes Handbuch mit 25 konkreten Führungsansätzen für psychologische Sicherheit im Alltag.

Feedback & Kommunikation

  • Buckingham, Marcus & Goodall, Ashley (2019): The Feedback Fallacy. Harvard Business Review.
    – Kritischer Artikel über klassische Feedback-Irrtümer und der Mythos objektiver Bewertung.

  • Scott, Kim (2017): Radical Candor – Be a Kick-Ass Boss Without Losing Your Humanity. St. Martin’s Press.
    – Leadership-Klassiker zu direktem Feedback mit Mitgefühl („Challenge directly, care personally“).

  • Prochazka, Jakub et al. (2020): Sandwich Feedback: The empirical evidence of its effectiveness. Journal of Motivation and Emotion. https://doi.org/10.1016/j.jmot.2020.101649
    – Empirische Studie zur Wirkung des Feedback-Sandwiches. Ergebnis: Mehr Verwirrung, weniger Klarheit.

  • Baloch, Z., Iqbal, M.Z., Ikramullah, M. et al. (2021): Getting Ratees to Accept Performance Feedback: A Relational Approach. Social Justice Research, 34, 285–316. https://doi.org/10.1007/s11211-021-00370-3
    – Studie zum Zusammenhang zwischen Beziehung, Fairness und Feedback-Akzeptanz.

Teamdynamik & emotionale Intelligenz

  • Druskat, Vanessa & Wolff, Steven B. (2023): The Emotionally Intelligent Team. Harvard Business Review Press.
    – Aktuelle Forschung zu Teamnormen, Vertrauen und emotionaler Kohäsion als Erfolgsfaktor.

Arbeit & Motivation im Wandel

  • Gallup (2023): Engagement Index Deutschland.
    – Nur 16 % der Beschäftigten fühlen sich emotional gebunden – mangelnde Wertschätzung als Hauptursache.

  • Wigert, Ben & White, Heather (2022): The Advantages and Challenges of Hybrid Work. Gallup Report.
    – Identifiziert erschwertes Feedback als eine zentrale Herausforderung hybrider Führung.

  • Tonn, Motoki (2021): Lob, Kompliment und Wertschätzung – der feine Unterschied. Blogartikel auf finde-zukunft.de.
    – Praxisnahe Unterscheidung der Begriffe, mit Relevanz für Führung und Feedbackkultur.


Let’s connect

Zurück
Zurück

Strategie in den Fluss bringen

Weiter
Weiter

Emotionen in der Führung? Eine wichtige Datenquelle voller Missverständnisse.